Wann wir uns enthalten sollen | „Wissenschaftsfreiheit und Moral“ von Tim Henning

„Facts don’t care about your feelings“ lautet ein Slogan, den der amerikanische Polit-Kommentator Ben Shapiro im Februar 2016 auf Twitter postete. Seinen konservativen Anhängern lieferte Shapiro damit rechtzeitig zum Kulturkampf gegen die Wokeness der Linken einen Schlachtruf und eine universelle Antwort-Schablone gegen jede Art von moralische Bedenken. Wer sich für einen Verteidiger unumstößlicher Fakten gegen moralisierendes Gejammer hält, der zitiert seitdem Shapiros Spruch. Er wurde so populär, dass Shapiro als Kommentar zu Trumps erster Amtszeit ein Buch mit diesem Titel herausbrachte und etwas später, wie zur Erinnerung, auch noch ein zweites mit dem Titel „Facts (still) don’t care about your feelings“.

Leider habe ich keine Zeit diese Bücher hier zu besprechen, aber das ist auch nicht nötig, denn der Philosoph Tim Henning hat im Jahr 2024 mit dem Buch „Wissenschaftsfreiheit und Moral“ eine Analyse des Konflikts herausgebracht, um den es hier eigentlich geht. Shapiros Gegenüberstellung von facts versus feelings ist ja eine Zuspitzung und bereits eine Verstümmelung, denn in realen Konflikten werden meistens nicht die reinen Fakten in Frage gestellt. Wissenschaftliche Aussagen, die von moralischer Seite kritisiert werden – und das ist der Konflikt, auf den Henning sich in diesem Buch konzentriert – sind meistens keine Sammlungen von Daten, sondern deren Interpretation und oft auch daraus geschlussfolgerte Handlungsempfehlungen. Und auch auf der feelings-Seite geht es in der Regel nicht um Gejammer und reine Gefühlsausbrüche sondern um nachvollziehbar begründete moralische Bedenken.

Dass diese Art von Konflikt auch in Deutschland hoch aktuell ist, zeigt die Gründung des Netzwerks Wissenschaftsfreiheit im Jahr 2020. Diese aus inzwischen mehr als siebenhundert deutschen Wissenschaftlern bestehende Gruppe will die Freiheit von Forschung und Lehre gegen moralische Einflussnahme verteidigen. Im Manifest des Netwerks heißt es: „Hochschulangehörige werden erheblichem Druck ausgesetzt, sich bei der Wahrnehmung ihrer Forschungs- und Lehrfreiheit moralischen, politischen und ideologischen Beschränkungen und Vorgaben zu unterwerfen“. Welche Formen dieser moralische Druck annimmt, unter dem Forschung an deutschen Hochschulen stattfindet, und ob Wissenschaftler sich sogar davor fürchten müssen, bestimmte Resultate zu veröffentlichen, ist inzwischen auch Gegenstand verschiedener Studien.

Wann ist Kritik erlaubt?

In Hennings Buch spielt dieser Druck aber nur am Rande eine Rolle. Ihm geht es um die grundlegendere Frage: Ist moralische Kritik an Wissenschaft überhaupt zulässig? Müsste man im Sinne der Wissenschaftsfreiheit nicht jede Kritik von vornherein verwerfen, die mit moralischen Argumenten arbeitet? Hennings These ist, dass moralische Kritik an wissenschaftlichen Aussagen in manchen Fällen durchaus legitim ist, auch wenn man die Wissenschaftsfreiheit und den besonderen Schutz von Forschung gegen externe Einflüsse sehr ernst nimmt.

In den ersten Kapiteln des Buches verteidigt Henning erst einmal die Wissenschaftsfreiheit und gibt ihr eine unmissverständliche Formulierug. Ob eine wissenschaftliche Aussage als korrekt betrachtet wird, darf für ihn nur davon abhängen, ob sie wissenschaftlichen Maßstäben genügt, das heißt ob ihre Wahrheit ausreichend belegt ist. Nur handfeste Evidenz darf hierfür berücksichtigt werden. Moralische Überzeugungen können diese Belege nicht übertrumpfen. Dass die Wissenschaft gegen moralische Kritik besonderen Schutz genießen muss, ergibt sich für Henning, der sich auf Kant und Mill beruft, aus ihrer grundlegenden Funktion. Eine Disziplin, die sich nicht mehr von Evidenzen sondern von moralischen Überzeugungen leiten ließe, wäre gar keine Wissenschaft mehr. Die Freiheit von diesen Einflüssen ist für ihn also nicht nur erstrebenswert sondern ein unverzichtbarer Wesenszug von Wissenschaft.

Um zu demonstrieren, auf welche Art dieses Prinzip manchmal missachtet wird und wie unangemessene moralische Kritik zustande kommen kann, zieht Henning ein brisantes Beispiel heran. Im Jahr 1994 erschien in den USA das hoch umstrittene Buch „The Bell Curve“. Der Politikwissenschaftler Charles Murray und der Psychologe Richard Herrnstein beschäftigen sich hier mit der Verteilung des Intelligenzquotienten in der amerikanischen Bevölkerung. Unter anderem behaupten Sie, dass der schwarze Anteil der Bevölkerung im Durchschnitt einen niedrigeren IQ aufweise als der Weiße. Sie stellen außerdem die These auf, dass diese Ungleichheit genetische Ursachen habe. Henning bemerkt, dass diese Behauptung bei ihm selbst und wahrscheinlich bei den meisten Lesern reflexartig auf starken Widerstand stößt, weil sie offensichtlich mit weit verbreiteten moralischen Vorstellungen von Gleichheit und Gerechtigkeit in Konflikt steht.

Zunächst untersucht Henning, wo dieser gefühlsmäßige Widerstand herkommt. Es spielt hierfür eine Rolle, dass es eine Personengruppe gibt, für die es negative Konsequenzen hätte, wenn wir diese Behauptung für wahr hielten. In unserer Gesellschaft ist es weitgehend akzeptiert, dass Intelligenz unterschiedlich verteilt ist und dass Menschen mit höherer Intelligenz gute Voraussetzungen haben, um sozial und ökonomisch erfolgreich zu sein. Wer Murrays und Herrnsteins These akzeptiert, müsste eine soziale und ökonomische Ungleichheit zwischen Menschen unterschiedlicher Hautfarbe auf genetische Unterschiede zurückführen und eventuell einfach akzeptieren, statt gegen diese Ungleichheit vorzugehen. Dieses Denken hätte direkte Konsequenzen für politische Maßnahmen in der Bildungs- und Sozialpolitik auf Kosten von sozial benachteiligten Gruppen. Davon abgesehen würde eine allgemeine Anerkennung dieser These nataürlich rassistische Vorbehalte bestärken und der schwarzen Bevölkerung damit in allen Lebensbereichen schaden. Auch wenn wir all das für inakzeptabel halten, müssen wir laut Henning aber dem Reflex widerstehen, Murrays und Herrnsteins These einfach als falsch abzustempeln weil sie nicht wahr sein darf. Henning kommt gegen Ende des Buches wieder auf diese These zurück und zeigt, dass man sie nicht nur kritisieren sondern in der Tat verwerfen sollte. Aber die Tatsache allein, dass sie unseren moralischen Überzeugungen widerspricht, darf hierfür nicht das Argument sein.

Moral Encroachment

Die Frage ist also, wie moralische Kritik an wissenschaftlichen Thesen überhaupt legitim sein kann. Den Mechanismus, über den dies möglich ist, bezeichnet die Philosophie als Moral Encroachment, also moralische Einflussnahme, und diese wird gerade dadurch ermöglicht, dass die Wissenschaft einen besonders schützenswerten Sonderstatus genießt. Die andere Seite dieses Status ist nämlich, dass den Aussagen von Wissenschaftlern in der Öffentlichkeit und auch in politischen Entscheidungsprozessen eine besondere Bedeutung beigemessen wird. Wenn an irgendeinem Stammtisch jemand seine Theorien über Intelligenz und Hautfarbe äußert, können wir das leicht ignorieren, aber wenn, wie in Murrays und Herrnsteins Fall, ein promovierter Politikwissenschaftler und ein Harvard-Professor ein Buch schreiben, dann sollen wir Leser das offenbar sehr ernst nehmen. Allein der Hintergrund der Autoren und die Form der Äußerung legen bereits nahe, dass hier Experten sprechen, die sich ihre Sache ganz genau überlegt haben. Die Erwartung an die Fundiertheit und Korrektheit ihrer Äußerungen ist deshalb vergleichsweise hoch und es ist dann die Frage, ob der rein wissenschaftliche Wert ihrer Arbeit diesen hohen Maßstäben tatsächlich gerecht wird.

Die Moral kommt genau über diese Maßstäbe ins Spiel, denn diese steigen noch einmal deutlich, wenn die betreffende These, so wie in diesem Beispiel, für eine Personengruppe besonders schwerwiegende Konsequenzen hat. Henning fasst diese Konsequenzen mit dem Begriff der Irrtumskosten zusammen. Damit ist der Schaden gemeint, der entstehen würde, wenn die These falsch wäre. Diese Kosten können je nach Person unterschiedlich sein und wenn es Personen gibt, für die der Schaden besonders hoch ist, dann sollten diese Irrtumskosten den Maßstab dafür beeinflussen, wie gut die These belegt sein muss, bevor sie verantwortungsvoll geäußert werden kann.

Henning veranschaulicht diesen Zusammenhang an einem einfachen Beispiel: Angenommen ich habe zum Abendessen eingeladen und meine Gäste fragen mich, ob das von mir gekochte Gericht Spuren von Erdnüssen enthalten kann. Wenn ein Gast gegen Erdnüsse allergisch ist, sind die Irrtumskosten für ihn besonders hoch und daran sollte ich mich orientieren wenn ich die Frage beantworte. Ich muss mir dann wirklich sicher sein, dass mein Gericht keine Spuren von Erdnüssen enthält, bevor ich das behaupte.

Das Beispiel verdeutlicht auch den entscheidenden Unterschied zwischen zulässiger und verfehlter moralischer Kritik. Angenommen ich bin mir nicht sicher, dass mein Gericht keine Erdnüsse enthält, aber ich behaupte es einfach. Ein Gast, der meine Unsicherheit durchschaut, würde mich für diese Behauptung aus moralischer Sicht kritisieren. Seine Kritik bezieht sich nicht auf den Inhalt meiner Aussage. Die Aussage selbst, dass mein Gericht entweder Erdnüsse enthält oder nicht, ist entweder richtig oder falsch und daran gibt es keine moralische Kritik. Die Kritik stört sich auch nicht daran, dass ich selbst von meiner Aussage überzeugt bin. Sie richtet sich nur darauf, dass ich trotz hoher Irrtumskosten und mangelnder Sicherheit überhaupt eine Aussage gemacht und damit den Schaden meines Gastes in Kauf genommen habe.

Irrtumskosten und Belege

Was diese Form von moralischer Kritik abwägen muss, sind also die Irrtumskosten auf der einen Seite und die Qualität der wissenschaftlichen Belege auf der anderen. Der Ausgangspunkt dieser Art von Kritik sind also moralische Überzeugungen und die Interessen betroffener Personengruppen, aber die Kritik lenkt den Konflikt dann wieder zurück in das Feld der wissenschaftlichen Belege, weil nur diese am Ende darüber entscheiden dürfen, was von der betreffenden These zu halten ist. Henning demonstriert dieses Vorgehen an drei Beispielen, die er in den abschließenden Kapiteln des Buches ausführlich bespricht. Das erste Beispiel ist die erwähnte These von Murray und Herrnstein zum Thema Intelligenz und Hautfarbe. Auf der einen Seite sind hier die Irrtumskosten für die schwarze Bevölkerung wie schon gesagt sehr hoch. Bei seiner Untersuchung, wie stark auf der anderen Seite die Belege sind, stößt Henning auf das Problem, dass Murray und Herrnstein offenbar eine zweifelhafte Vorstellung davon haben, wie man die Erblichkeit einer Eigenschaft statistisch feststellt und was sich auf diesem Gebiet überhaupt herausfinden lässt.

Insbesondere lassen sich aus der sogenannten Heritabilität, die man mit der Beobachtung von Zwillingspaaren innerhalb einer Ethnizität misst, keine Rücksschlüsse auf eventuelle genetische Unterschiede zwischen Ethnizitäten ableiten. Aus diesen und anderen rein wissenschaftlichen Gründen erscheinen die Belege von Murray und Herrnstein aus Hennings Sicht als viel zu schwach, um eine genetische Ursache der gemessenen Unterschiede zu behaupten und andere mögliche Ursachen, wie zum Beispiel sehr naheliegende soziale und ökonomische Unterschiede, zu vernachlässigen. Henning hält Murrays und Herrnsteins Aussage daher für fahrlässig. Entscheidend an dieser Beurteilung ist also, dass sie sich eben nicht unmittelbar auf moralische Überzeugungen beruft. Diese haben als Rechtfertigung gedient, höhere Maßstäbe anzulegen und die Belege noch einmal genauer unter die Lupe zu nehmen, aber die eigentlichen Gründe, die These für schwach oder gar nicht belegt zu halten, kommen aus derselben wissenschaftlichen Disziplin, wie die These selbst. Die Kontroverse wird auf die Wissenschaft zurückgelenkt.

Ganz nebenbei zeigt dieses Beispiel auch sehr klar, wie wenig eine Zuspitzung von facts versus feelings mit den realen Debatten zu tun hat. Die reinen Fakten, also die gemessenen IQ-Werte in diesem Fall, werden hier nicht einmal in Frage gestellt, obwohl es sicher auch gute Gründe gibt, über den generellen Sinn von IQ-Tests zu diskutieren. Stattdessen dreht sich der Konflikt um die Analyse und Interpretation der gemessenen Daten. In diesem Prozess können selbstverständlich Missverständnisse und Fahrlässigkeiten passieren. Die Fehlbarkeit von Wissenschaft gehört genau wie ihre Freiheit zu ihren Wesensmerkmalen.

Henning selbst geht anhand seines zweiten Beispiels noch auch auf eine andere populäre Zuspitzung ein. Hier geht es um die von der britischen Philosophin Kathleen Stock vertretene Aussage, dass der Begriff „Frau“ nur auf biologisch weibliche Erwachsene zutrifft. Manche Verfechter dieses Standpunkts glauben, biologische Fakten gegen politische und aktivistische Einflussnahme zu verteidigen und posten ihre Ansichten online unter Hashtags wie #TeamBiologie oder #TeamRealität. Wie Henning betont, ist der Konflikt um Stocks Aussage aber nicht eine Meinungsverschiedenheit zu biologischen Fakten, sondern zur Verwendung eines Begriffs in unserer Alltagssprache. Herbert Grönemeyers Song mit dem Refrain „Wann ist ein Mann ein Mann“ ist auch kein Lied über das Y-Chromosom.

Das letzte Beispiel ist das abstoßendste und gleichzeitig das interessanteste, weil es für Hennings Ansatz einen Sonderfall darstellt. Der australische Philosoph Peter Singer vertritt die These, dass es ethisch vertretbar sein kann, Neugeborene mit schweren Behinderungen zu töten. Singer ist Utilitarist, das heißt, das ethisch Schlechte ist aus seiner Sicht nur dann schlecht, wenn es konkret für bestimmte Personen schlecht ist. Wenn Neugeborene noch keine Vorstellung von sich selbst, von ihrer eigenen Zukunft und ihren Interessen entwickelt haben, und dazu aufgrund schwerer Behinderungen vielleicht nie in der Lage sein werden, dann sind sie aus Singers Sicht keine Personen, deren Interessen es zu berücksichtigen gilt. Selbstverständlich hat Singer sich mit dieser These weltweit viele Feinde gemacht.

Die Anwendung von Hennings Methode über Irrtumskosten höhere Maßstäbe an die Qualität der Belege anzusetzen ist in diesem Fall auf den ersten Blick problematisch. Denn Singers These behauptet ja gerade, dass es diese Irrtumskosten hier gar nicht gibt. Die sogenannten Stakeholder, also diejenigen, die den Irrtum ausbaden müssten, fallen laut seiner These ja weg. Die Irrtumskosten lassen sich in diesem Fall also nicht diskutieren ohne die These selbst in Frage zu stellen. Damit wird aber andererseits deutlich, dass diese These sich eigentlich selbst nicht mehr auf der rein wissenschaftlichen sondern schon auf der moralischen Seite befindet. Ein Moral Encroachment ist damit unnötig geworden. Moralische Thesen durften immer schon moralisch kritisiert werden. Dieses letzte Beispiel markiert damit also einen Grenzfall, auf den Hennings Theorie eigentlich schon nicht mehr angewandt werden muss, weil moralische Kritik hier sowieso schon zulässig ist.

Lob der Enthaltung

Mitten in diesem Buch gibt es eine Pointe, die auch Konflikte außerhalb der Wissenschaft betrifft und die man meiner Meinung nach gar nicht genug betonen kann. Die zentrale Frage, auf die Hennings Methode hinausläuft, ist: Wann ist eine Aussage ausreichend belegt? Wie überzeugt muss ich von meiner These sein, bevor ich sie äußere? Eine naive Antwort wäre, dass die Aussage mir mit einer höheren Wahrscheinlichkeit als wahr erscheinen sollte, als ihr Gegenteil. Henning betont aber, dass dieser Vergleich in den meisten Fällen nicht ausreicht. Wenn ich nur zu 51% davon überzeugt bin, dass mein Abendessen keine Erdnüsse enthält, dann ist das zu wenig um das einem Allergiker zu versichern. Es geht hier nämlich nicht nur um die Entscheidung zwischen einer Aussage und ihrem Gegenteil. Hennings Buch erinnert ganz ausdrücklich an eine dritte, eigentlich selbstverständliche Option, nämlich sich weder auf das eine noch auf das andere festzulegen. Wir dürfen uns enthalten und aus moralischen Gründen sollten wir das in vielen Fällen auch tun.

In der Wissenschaft ist die Enthaltung ja tatsächich eine allgegenwärtige Praxis. Ganz anders als in politischen Debatten ist es hier der Standard, sich zu schwierigen Fragen erst einmal nicht zu äußern. Wer zu eilig zu Schlussfolgerungen kommt, schadet nicht nur seiner Disziplin, sondern vor allem seiner wissenschaftlichen Karriere. So sehr der Publikationsdruck auch zu schnellen Äußerungen drängen mag ist es nach wie vor schlimmer, widerlegt zu werden, als unproduktiv zu sein. Was wir uns merken müssen, ist also nicht der Spruch des Ben Shapiro sondern der alte Spruch des Boethius, der auf die Frage „Erkennst du, dass ich ein Philosoph bin“ antwortet: „Ich hätte es erkannt, wenn du geschwiegen hättest.“ Ich persönlich wünschte, wir hätten auch in der politischen Öffentlichkeit ein stärkeres Bewusstsein dafür, dass niemand uns zwingt, uns in Konflikten zu einer Seite zu bekennen. Wir dürfen uns einfach auch mal raushalten.

„Wissenschaftsfreiheit und Moral“ ist jedenfalls die Analyse eines wichtigen Konflikts, die auf komplexe Moralphilosophie zurückgreift aber trotzdem für philosophische Laien wie mich nachvollziehbar bleibt. Ihr Ergebnis ist, dass moralische Argumente in der Kritik an wissenschaftlichen Thesen eine Rolle spielen dürfen, indem sie die Bewertungsmaßstäbe beeinflussen. Weil sich diese Kritik aber am Ende wieder ganz auf wissenschaftliche Standards beruft, gibt sie die Wissenschaft nicht für politische Attacken frei, sondern verteidigt sie vielmehr gegen ihre eigenen schwarzen Schafe. Das Buch ist damit eine klare Absage an falsche Polarisierungen wie facts versus feelings, gegen ein zu einfaches Ja-oder-Nein und es ist ein Lob der Enthaltung. In einer Zeit der zunehmend polarisierten politischen Strömungen, die auch vor einer Vereinnahmung von Wissenschaft nicht zurückschrecken, schafft es die Klarheit, die wir brauchen.


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